GESCHICHTE
Geschichten aus vergangenen Tagen
Die Badeanstalt am Nationalquai blickt auf eine lange Vergangenheit zurück. Das Seebad wurde 1884 bis 1885 vom Luzerner Architekten Heinrich Victor von Segesser gebaut. In seiner weit über 100-jährigen Geschichte wurde das Bad mehrmals umgebaut und an die damaligen Bedürfnisse angepasst, bis es 2010 sein jetziges Gesicht bekam.
1957 legte der Architekt Adolf E. Vallaster Pläne vor, welche aufzeigten, wie das in die Jahre gekommene und dem damaligen Badeverhalten nicht mehr entsprechende Wasserfort modernisiert werden könnte. Aufgrund seiner Vorschläge wurde es 1963-1965 im Stile des Neuen Bauens purifiziert und mit Flachdächern ausgerüstet, die jedoch nicht begehbar waren. Die Fassaden verkleidete man mit grauen, glatten Eternitplatten. Nicht zu aller Freude: Leserbriefe in den Zeitungen sprachen vom «Bunker-Umbau». 1984-1985 erfolgte eine weitere Renovation, welche die Eternitverschalung durch Holzfassaden ersetzte und die Flachdächer als Sonnendecks begehbar machte. Als Ersatz für die 1870 abgebrochene Badeanstalt am Neuen Platz liess eine Aktiengesellschaft unter Beteiligung der Stadt Luzern von Architekt Heinrich Victor von Segesser 1884-1885 die Badeanstalt am Nationalquai bauen. Die Aktienzeichnung erfolgte im November 1884. Das vom Volk im Unterschied zur «Zwänzgerbadi» am Alpenquai «Föfzgerbadi» genannte noblere Bad, auf der nobleren Seeseite gelegen, kam erst nach langen Diskussionen zustande, weil Tourismuskreise im Badebetrieb eine Störung der Quaipromenade befürchteten, die damals eben erst aufgeschüttet worden war. Das Initiativkomitee setzte sich aber mit den Argumenten durch, Hygiene sei für die kulturelle Entwicklung des Volkes sehr wichtig, und das Schwimmen halte beide Geschlechter gymnastisch fit. Zudem gebe es im Geissmattbad für Frauen kein Schwimmbassin. «Unsere Frauen und Töchter sind einzig auf die engen und dunklen Zellen angewiesen, während ihnen gerade ein grosses Badebassin, das kräftige Bewegungen gestattet, sehr zu statten käme.» Frauen und Männer erhielten «natürlicherweise auch gesonderte Zugangsbrücken und Eingänge» zu den vollständig getrennten Abteilungen. In der Frauenabteilung gab es mehr Einzelbadekabinen mit internen Treppen ins Wasser, «einerseits, weil diese Art Bäder bei den Frauen mehr verlangt wird und anderseits, um das offene Bassin gegen den See vollständig abzuschliessen.»
Die Bassins auf der Männerseite wurden grösser gebaut, «da Männer immer mehr die Schwimmbassins frequentieren werden als die Frauen, obschon wir glauben, dass nach kurzer Zeit auch die Frauenwelt die offenen Bäder den Zellenbädern vorziehen wird.» Die Seebadeanstalt am Nationalquai wurde am 28. Juni 1885 eröffnet. Sie war ein typisches Kastenbad, ein vierflügeliger Pfahlbau im Cottagestil mit zwei nach Geschlechtern getrennten Bassins, deren Tiefe sich mittels eines verstellbaren Holzrostes regulieren liess. Das 32.25 m breite und 45 m lange Bad mit einem 21.50 m langen und 15.50 m breiten Schwimmbassin für die Männer und einem ebenso langen, aber nur 12.50 m breiten Bassin für die Frauen wurde schon ab dem Nationalquai über zwei separate, 12 m lange Holzstege geschlechtergetrennt betreten. Während die Männer in den See hinaus schwimmen und auch ein Sprungbrett benutzen konnten, hatten die Frauen innerhalb der Anstalt zu verweilen.Im Eingangsbereich an der Nordfassade befanden sich die Kasse, Räume für die Lingerie und Aborte. Daran angrenzend waren auf der Männerseite 15 offene Garderoben für Militär- und andere Schulen, im Westflügel 8 Einzelbadekabinen mit Treppen ins Wasser und 30 Umkleidezellen, die sich teilweise auch im seeseitigen Südflügel befanden. Auf der Frauenseite waren im Nordtrakt 12 offene Garderoben für Schulen und andere Gruppen, im Ost- und im Südflügel 13 Einzelbadekabinen mit Treppen ins Wasser und 12 Umkleidekabinen. Der lange, schmale Raum zwischen den Abteilungen diente als (wohl sehr feuchter) «Tröcknungsraum», hier befand sich auch das Rettungsboot in einem Kanal.
Aus: Seelust – Badefreuden in Luzern Heinz Horat
Wo die Luzerner Bevölkerung seit 140 Jahren baden geht
Luzerner Zeitung, 01.07.2024
Serie «Früher-Heute»
Badeanstalt – Bunker – Seebad. Von getrennten Bädern und Giebeldächern zur «Insel im städtischen Umfeld»: Das Seebad Luzern hat eine bewegte Geschichte hinter sich.